So, das gröbste Schlafdefizit ist behoben und so ist es Zeit, die Nacht Revue passieren zu lassen.
Überraschungen gab es (bis auf Melissa Leos Oscar für die Nebenrolle in „The Fighter“, da hätte ich fest mit Helena Bonham Carter gerechnet) eigentlich keine. Die Favoriten haben sich durchgesetzt, die Showproduzenten ihre Zeit ein- und alle anderen brav ihre Reden gehalten. Kurz, es war wohl eine der langweiligsten und glattesten Oscar-Verleihungen, die ich bisher gesehen habe.
Die „Gastgeber“ James Franco und Anne Hathaway wirkten wie Gäste auf ihrer eigenen Party. Mit mäßigem Erfolge hangelten sie sich durch die mäßigen Witze, spielten im obligatorischen Einspieler ihre Rollen in einem Zusammenschnitt der Filme der Saison und versuchten, ihre Nervosität zu überspielen. War nicht schlimm, aber auch nicht toll – kann Nachts um 4 gefährlich zum Einschlafen verleiten. Die übrigen Moderatoren, die im Laufe der Show die Trophäen anmoderieren und übergeben durften, übertrafen den mangelnden Glanz der Gastgeber meistens nicht. Und so versprühte die Show trotz der Wucht Hollywoods oft nur den Charme des deutschen Filmpreises *Schauder*.
Das merkte man besonders dann, wenn mal wirkliche Entertainer vorm Mikro standen: Kirk Douglas (gebrechlich, aber gewitzt), Sandra Bullock und mein als Oscar-Host heißgeliebter Billy Crystal schafften es als einzige, mit ihrer schnoddrigen, augenzwinkernden und humorvollen Art, mal etwas Schwung in die Bude zu bringen. Aber 3×60 Sekunden sind bei einer 3h Show halt etwas wenig.
Man muss dazu sagen, dass die Produzenten in den letzten Jahren versucht haben, die früher gut 2h länger dauernde Show deutlich zu straffen, um sie attraktiver für die Zuschauer zu machen. Der Haken ist nur, dass bei 24 Kategorien samt Anmoderation, Vorstellung der Nominierten, Verkündung des Gewinners und 45s Dankesrede nicht mehr viel Zeit für anderes bleibt. Früher gab es ausführliche Vorstellungen der nominierten Filme, da gabe es Revueeinlagen von Billy Crystal, da wurden die Kategorien erklärt, damit man sich unter Tonschnitt etwas vorstellen kann, da wurden Medleys immergrüner Hollywoodfilme gezeigt oder zumindest die Nominierten vorgestellt. Dieses Mal: Fehlanzeige. Lediglich die verstorbenen Mitglieder der Academy (u.a. Dennis Hopper, Pete Postlethwaite und Tony Curtis) wurden geehrt. Das war’s dann auch schon.
Bei den Dankesreden gab es, abgesehen von einem herzhaften, die US-Boulevardpresse noch für Wochen mit Schlagzeilen versorgenden „Fuck“ und einem politischen Statement der Dokumentarfilm-Gewinner („Inside Job“ – bemängelt wurde zu Recht, dass keiner er Verantwortlichen der Finanzkrise im Knast sitzt), auch nichts berichtenswertes. Alle haben brav abgelesen oder improvisiert und keine größeren Aussetzer gezeigt. In diesem Stil wurden dann also schnell die Kategorien abgegrast, bis dann pünktlich um 5:30 der Spuk vorbei war.
Um es also positiv auszudrücken: Bei der nächsten Show ist wieder viel Luft nach oben. Mit etwas mehr Zeit für Selbstbeweihräucherung, einem fähigen Show-Host wie Billy Crystal oder Hugh Jackman und ein paar mehr Moderatoren mit Entertainer Qualitäten, wie etwa die mir bisher durchweg positiv aufgefallenen Jack Black, Ben Stiller oder Will Ferrell, ließe sich bestimmt wieder etwas Schwung in die Bude bringen.
In Erwartung von Besserung in der Saison 2012,
Euer chrjue