Seit fast 10 Jahren läuft es schon, an prominenter Stelle der Hamburger Skyline und nachts schick angeleuchtet: Das Musical „König der Löwen“. Und während im Operettenhaus und der neuen Flora die Stücke wechseln wie das Laub an den Bäumen, ist das Theater im Hamburger Hafen regelmäßig ausverkauft und das Publikum genauso regelmäßig hingerissen. Es ist schwer, die Faszination des Stückes in Worte zu fassen, aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es mich auch beim zweiten und dritten Mal sehen geradezu hinweggespült hat auf einer Welle der Überwältigung – wer hier nicht ergriffen ist, hat kein Herz. Die Kombination aus raffinierten Kostümen, aus Puppen- und Schattenspiel, toller Musik und nicht zuletzt einer guten Geschichte sind heben dieses Musical deutlich von der Konkurrenz ab – und wenn bei afrikanischen Kostümen, Gesang in Zulu und Life-Percussion die Post abgeht, sitzt man nicht mehr in Hamburg, sondern in Afrika. Spart ein Flugreise und relativiert die Ticketpreise.
Die Handlung des Musicals sollte hinlänglich bekannt sein, ansonsten hilft die gute, alte Wikipedia gerne auf die Sprünge. Weitaus seltener sind Informationen über das, was im Hintergrund der Show abläuft, um die Geschichte auf die Bühne zu bringen. Wenn die Bühne sich wie von Geisterhand in eine Savannenlandschaft verwandelt, wenn Büffelhereden in einer Stampede den armen Mufasa überrollen, oder Timon auf einem Fluss einen Wasserfall herabstürzt, dann arbeiten viele unsichtbare Hände daran mit, diese Illusion zu erzeugen. Seilzüge werden betätigt, Kulissen werden geschoben, Lifte aus der Unterbühne gehoben, Licht- und Soundeffekte abgefeuert, und all das im Takte einer unsichtbaren Chorefografie, die dem Zuschauer oft nicht einmal in Ansätzen bewusst ist. Und selbst wenn es ihm bewusst ist, wirkt das reibungslose Zusammenspiel aus moderner Computersteuerung, klassischer Muskelkraft, mächtigen Maschinen und viel, viel Nervenstärke wie ein Wunder. Also höchste Zeit, das Ganze mal von technischer Seite etwas näher unter die Lupe zu nehmen…
Das Theater
Aber es ist nicht einfach, nähere Infos oder gar Bilder zur Bühnentechnik zu bekommen – Disney hält sich da traditionell eher bedeckt. Aber im Zeitalter von Internet und Google ist nichts unmöglich, und so habe bin ich doch auf ein noch paar informative Links gestoßen, die ich unten zusammengestellt habe. Zusammen mit drei Besuchen der Show ließ sich so doch das meiste enträtseln.
Seinen Anfang nahm die Show, zumindest in Hamburg, im Jahr 2001. Das alte Buddy Holly Zelt wurde entkernt und aufwendig für die Anforderungen einer Musical Produktion von Broadway Niveau fitgemacht. Dazu gehörten vor allem die Ausrüstung mit einem Bühnenturm samt Obermaschinerie (für die fliegenden Teile, die nach oben verschwinden) und einem neuen Beton-Keller für die Untermaschinerie (für alles, was nach unten verschwindet). Das Scenic Design, also das Bühnenbild samt dem notwendigen Maschinenpark, stammt ursprünglich von Richard Hudson. Der erhielt dafür sogar den Tony Award, eine Art Theater-Oscar. Für die Hamburger Produktion wurde es fast identisch übernommen, mit leichten Anpassungen an die hiesigen Bestimmungen. Für den Bau und die Montage der Unter- und Obermaschinerie samt Steuerungstechnik zeichnete sich die Firma SBS verantwortlich.
Die Bühne
Ich fange mal mit einem virtuellen Rundgang über die Bühne an. Das beeindruckendste Stück Bühnentechnik ist wohl der „Pride Rock“, der Felsen, von dem aus der König die Savanne beherrscht. Er besteht aus einer sich halbkreisförmig nach oben windenden Treppe von 3m Höhe, die (drehbar) auf einer Drehbühne mit 6m Durchmesser ruht. Wird er nicht gebraucht, lässt er sich in der Unterbühne versenken. Unter der anderen Hälfte der Drehbühne ist eine Art Deckel verstaut, mit dem die Öffnung verschlossen werden kann. Dazu dreht sich der Deckel um 180° unter die Öffnung und wird hydraulisch angehoben, bis er mit der Bühne abschließt. Die ganzen Prozedur kann bei voller Drehung des Drehtellers stattfinden – ein imponierendes Zusammenspiel von 4 Achsen.
Das folgende, bei Flickr gefundene HDR-Bild gibt einen Eindruck der dafür nötigen Maschinerie:
[flickr size=“medium“ float=“none“]http://www.flickr.com/photos/36113180@N00/3593900836/[/flickr]
Die hinteren zwei Drittel der Bühne lassen sich rampenartig zum Saal hin kippen. Dabei wird das hintere Ende um gut einen Meter angehoben, Darsteller inbegriffen. Der elektrische Antrieb dafür ist mit 20 kN der stärkste im Theater. In der Rampe ist linksseitig ein Loch, in dem der Drehteller liegt. Logisch. Aber es geht noch komplizierter: Drehteller und Deckel können beim Kippen wahlweise ausgelassen oder mitgenommen werden. Dazu lassen sie sich bei Bedarf hydraulisch mit der Rampe verriegeln, so dass die Darsteller auch bei hochgeklappter Rampe immer noch auf dem Deckel herumtanzen können.
Im vorderen, saalseitigen Drittel der Bühne finden sich desweiteren drei Lifte, mit denen im Laufe des Stücks immer wieder Personen aus dem Unterboden gehoben werden oder in diesem verschwinden. Sie haben knapp 4 m Hub in Summe, davon etwa 1m über die Bühnenniveau. Arbeiten sie gerade nicht, lassen sie sich auf Bühnenhöhe verriegeln. Schließlich ist ganz vorne im Bühnenboden noch eine Laufkette versteckt. In ihr können Requisiten oder Kulissen eingehakt und über die gesamte Bühnenbreite bewegt werden, wie etwa die Gräser in der Grasland-Szene oder die Felsen, von denen Mufasa bzw. Scar herabstürzen.
Zwei weitere „Felswände“ findet man in den Seitenbühnen, sie können für die Stampede seitlich hereingeschoben werden. An der rechten von ihnen ist hat eine Art „Tritt“ verborgen, auf dem Scar stehen kann, um sich das Spektakel von oben anschauen zu können. Schließlich findet man noch eine Reihe von Klappen und Löchern in der Bühne, die für einen Maulwurf, drei aufblasbare Pflanzen, ein paar Geysire und den „Abfluss“ für den See vom Anfang des zweiten Aktes zum Einsatz kommen – hört sich hier albern an, kommt aber in der Show gut rüber. Abgerundet wird die Shoe noch von jeder Menge Nebel, der per Knopfdruck aus einem Bataillon von Flüssigstickstofftanks über zahlreiche Rohre auf die Bühne wabert.
Der Schnürboden
Im Bühnenturm geht es etwas klassischer zu. 25 Elektrowinden verschiedener Mächtigkeit sorgen hier dafür, Kulissenteile und Vorhänge auf und abzufahren – Sonne, Sternenhimmel, Felswände, Wolken und anderes stehen bereit, um im richtigen Moment in Position gebracht zu werden. Bei Steuerung der komplexen Bewegungsabläufe hilft Kollege Computer – sämtliche Abläufe sind in ihm abgespeichert und können auf Knopfdruck abgerufen werden. Anders wären einige Szenen wohl auch nicht zu realisieren.
Einen Eisernen Vorhang sucht man hier oben vergebens, der befindet sich zweigeteilt in den Seitebühnen – die Zeltbauweise macht’s möglich, da sich im Brandfall kein Winddruck aufbauen kann. Dafür findet man hier oben drei sogenannte Flugwerke, an denen Darsteller über die Bühne fliegen können. Sicher an Drahtseilen hängend, natürlich. Als Antrieb dafür dienen nicht moderne Servomotoren, sondern die gute, alte Muskelkraft – je ein Mitarbeiter ist für Bewegungen nach oben/unten und rechts/links nötig, bei drei „Fliegern“ auf der Bühne werkeln also ganze 6 Techniker im Hintergrund nur daran. Dazu einer im Schnürboden, einer in der Unterbühne, Inspizient, ein Beleuchter am Pult und vier an den Verfolgern plus ein Tontechniker, ich komme da auf 15 Leute. Kein Wunder, dass die Tickets so ins Geld gehen. Aber ich schweife ab.
Das Stellwerk
Am anderen Ende des Saales, hinter den Zuschauern, findet man das Stellwerk. Die Technik ist nicht wirklich neu, aber modern. In der Lichtregie werden die 780 Scheinwerfer, 70 Moving Lights und 4 Verfolgerscheinwerfer gesteuert, macht insgesamt 1,2 Megawatt. Ähnlich groß auch die Tonregie, in der live die Mikrofone der Darsteller, Sänger und Instrumente mit Toneffekten und -konserven gemischt werden. Dazu stehen geschätzte 3m Pult mit hunderten von Reglern zur Verfügung. Der wichtigste Posten ist gleich nebenan, nämlich der des Inspizienten. Er ist der, der vor und während der Show die Kommandos gibt für Oberbühne, Unterbühne, Licht, Ton, Musiker und Schauspieler. Dazu ist er per Funk und Telefon mit allen Stationen verbunden und hat auf etlichen Monitoren Überblick über die Bühne, Dirigent und weitere Stationen. Mehr Nervenstärke findet man wohl im ganzen Theater nicht.
Das Schlusswort
Wem das alles jetzt zu trocken war, oder wer das alles einfach mal selbst in Aktion sehen möchte, dem sei ein Besuch der Show wärmstens ans Herz gelegt. Denn wie oben schon gesagt: Die Show ist wirklich fantastisch, und auch bzw. gerade ohne tieferes Verständnis der technischen Abläufe ein Genuss.
Herzlichst,
Euer chrjue
Anhang
Backstage-Bilder von der Show in Las Vegas (?) bei Flickr:
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Weitere Links:
- Offizielle Webseite: Disney’s König der Löwen
- Wikipedia Seite zum Theater: Theater im Hafen
- Projektbericht zum Umbau vom Theater
- Leider nicht mehr aufrufbar: SBS Bühnentechnik
- Die Technik in Stichworten: Misterinfo.de
Vielen Dank! Das war super hilfreich für meine Präsentation, denn so eine ähnliche ausführliche Seite habe ich im Netz leider nicht gefunden.
Viele Grüße!
Gerne! Freut mich, dass es ausser mir noch jemand anderen interessiert 😉