The Curious Case of Benjamin Button
Von David Fincher, mit Brad Pitt, Tilda Swinton und Cate Blanchett.
Benjamin Button ist ein wirklich seltsamer Fall. Gemeint ist nicht, dass seine Mutter bei seiner Geburt stirbt, und auch nicht, dass sein Vater ihn gleich danach aussetzt. Auch dass er gleich danach in einem eine Ziehmutter findet, ist nicht gemeint. Gemeint ist, dass er alt ist. Obwohl Säugling, hat er Falten, grauen Star und Arthritis. Jahrzehnte später wird es Daisy sein, die so alt und gebrechlich ist wie Benjamin bei seiner Geburt. Und sie wird sich am Sterbebett von ihrer Tochter noch einmal sein Tagebuch vorlesen lassen, in dem seine Geschichte aufgeschrieben ist. Die Geschichte nimmt ihren Anfang noch vor seiner Geburt, als zur Zeit des zweiten Weltkrieges ein Uhrmacher aus Trauer über seinen gefallenen Sohn ein rückwärtslaufende Bahnhofsuhr baut, als Symbol für den Wunsch, die Zeit zurückdrehen zu können und all die Gefallenen wieder zu ihren Familien zurückkehren lassen zu können. Benjamin weiß aber von all dem nichts. Als Junge im Körper eines alten Mannes weiß er nur, dass er mit jedem Tag jünger wird, während um ihn herum alle altern. Die wirklichen Konsequenzen daraus werden ihm erst im Laufe der Jahre bewusst. Besonders als er Daisy kennenlernt. Er als Junge im alten Körper verliebt sich auf der Stelle in das hübsche Mädchen, und ist verdammt, mit ihr nur eine kurzen Teil seines Lebens teilen zu können. Und beginnt, den Rest seines Lebens umso intensiver zu leben…
Die Idee, einen Menschen sein Leben rückwärts Leben zu lassen, ist alt. Sie kursiert sowohl als Spaßmail im Internet, als auch als Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald, die dieser Film zum Vorbild nahm. Um aus einer Kurzgeschichte einen Kinofilm in Cinemascope mit Überlänge zu machen, ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Stoff und seinen philosophischen Hintergründen erforderlich, und das hat Drehbuchautor Eric Roth („Forrest Gump„) auch getan. Er verknüpft die Geschichte diese Menschen mit einer epischen, tragischen Liebesgeschichte, die die Jahrzehnte der Handlung überdauert. Wer hier schon gewisse Parallelen zu Forrest Gump entdeckt, liegt schonmal richtig. Denn auch das Südstaaten-Setting (hier New Orleans), die warmherzige, Lebensweisheiten absondernde Mutter und ein Kapitel auf einem Boot setzen diese Reihe fort, ist aber im Gegensatz zum Vorbild, nicht zuletzt durch die zahlreichen Todesfälle, deutlich trauriger unterwegs. Die Spezialeffekte dieses als unverfilmbar geltenden Stoffes müssen zahlreich gewesen sein, fallen aber erfreulicherweise kaum auf. Mit ihnen wurde auch die Arbeit der Überstunden schiebenden Maskenbildner aufgepeppt, die die monströse Aufgabe hatten, Brad Pitt und Cate Blanchett im bereich von 17-70 altersmäßig abzudecken. Wo der Eindruck einer Maske bei den älteren Versionen oft noch da ist, ist der Auftritt eines auf 17 Jahre verjüngten Brad Pitts einfach unglaublich überzeugend – Respekt!
Respekt auch den durch die Bank weg fantastischen Darstellern, von denen immerhin Brad Pitt und seine Filmmutter eine Oscar-Nominierung einheimsen konnten. Doch auch die nicht-nominierte Cate Blanchett sowie insbesondere Tilda Swinton liefern hier tolle Vorstellungen ab. Weniger toll ist trotz allem, dass der Film seine Überlänge nicht verdient. Es gibt sicher vieles zu erzählen, aber eine etwas straffere Erzählweise hier und da hätte wohl auch nicht geschadet. Und so wird der Film zwischen dem starken Anfang und dem sehr starken Ende eben ein wenig weniger stark, was sich hätte vermeiden lassen. Dennoch zeigt sich Finchers einzigartiger Stil in vielen erfrischenden Sequenzen wieder, sei es in dem Mann, der siebenmal vom Blitz getroffen wurde (und jedes davon wird in kurzen Einblendungen, immer im Stil der Zeit, kurz gezeigt), sei es in der schicksalhaften Verkettung von Umständen, die zu einem Unfall führen, so dass man sich nie langweilt. Und wenn Benjamin Button uns die Welt erklärt, uns an seiner besonderen Sichtweise auf das Leben teilhaben lässt, dann ist es still im Saal, dann gehen seine Wort mitten ins Herz. Und mit ihm nehmen wir auch die Botschaft des Films mit nach Hause, dass sich ein Leben eben nicht in Minuten, sondern in Momenten misst. (9)