„Mit einem Summen in unseren Ohren spielen wir endlos.“ Dieses Gefühl konnte man bei dem etwas übersteuerten Hurricane-Auftritt von Sigur Rós (übrigens unmittelbar vor Radiohead) tatsächlich leicht bekommen. Kurz danach erschien das sechste Studioalbum der Isländer mit dem lustigen Coverfoto von ein paar Leuten, die nackt über eine Schnellstraße springen, nicht einmal ein Jahr nach dem tollen Hvarf/Heim, was den Eindruck verstärkt, dass Sigur Rós zur Zeit nicht nur endlos spielen, sondern auch endlos aufnehmen. Wie auch immer und was auch immer, welch einen Glücksfall dieses Album in musikalischer Hinsicht darstellt, erschließt sich langsam aber zwingend und in endlicher (nicht endloser!) Zeit.
Schon der irgendwie griffige, zunächst stark gewöhnungsbedürftige, erste Song „Gobbledigook“ deutet mit seiner Mischung aus experimentellem Brit-Pop und Balkanfestival an, dass Sigur Rós auf ihrem neuen Album neue Wege einschlagen. An jeder Ecke des Albums rasselt und knistert es, einzelne Instrumente treten klarer hervor und versinken nicht wie bisher im epischen Gesamt-Klangbild der Band. So auch in „Inní mér syngur vitleysingur“, zweiter Song und großartige erste Single des Albums, mit dem schrägen Bläserintro, in das ganz unvermittelt das Klavier hineingeklimpert kommt. Wunderbar der Moment in dem sich unaufhörlich steigernden B-Part, als nach dreieinhalb Minuten Jón Birgissons Stimme für einen unfassbar kurzen Augenblick ganz alleine zurückbleibt.
Der Sound von Sigur Rós bleibt weiterhin sehr komplex und multi-instrumentiert, ist jedoch heterogener und weniger oplulent und lediglich „Festival“ und das sinfonische „Ara bátur“ erinnern in ihrer Opulenz noch an die früheren Alben. „Við spilum endalaust“ hingegen ist überaschend tanzbar und könnte mit dem wummernden Bass so etwas wie der erste Club-Hit der Band werden. Gegen Ende wird das Album ruhiger und spärlicher instrumeniert mit dem akustischen „Illgresi“ und dem zarten Pianostück „Flótavik“. Auch die erste Befremdung darüber, dass mit dem abschließenden „All Alright“ zum ersten Mal ein Lied in englischer Sprache veröffentlicht wird, legt sich schnell, wenn man merkt, dass man dadurch kein Wort mehr versteht als bei den in Isländisch gesungenen Titeln.
An diesem Album stimmt einfach alles: Von den Nackedeis auf dem hippie-esken Cover, über die langsame, von Neugier und Spielfreude geprägte Weiterentwicklung der Band, bis hin zu den Liedern, die man noch in zehn Jahren hören möchte. Wenn nicht noch die ganz große Überraschung passiert, dann ist sie es, die Platte des Jahres!
(10 Punkte)
Diskografie von Sigur Rós:
1997 – Von
1999 – Ágaetis Byrjun
2002 – ( )
2005 – Takk
2007 – Hvarf/Heim
2008 – Með suð i eyrum við spilum endalaust
Wurd‘ auch Zeit. Also, Platte des Jahres und die Rezension, meine ich.