Extremely Loud & Incredibly Close
von Stephen Daldry, mit Thomas Horn, Tom Hanks und Sandra Bullock
Heute ist OSCAR-Nacht, und wenn ich auch nicht alle Filme geschafft habe, für diese Perle hat es noch gereicht…
„Mein Vater hat mich mal auf Asperger testen lassen. Die Ergebnisse waren nicht eindeutig.“ So zweideutig die Ergebnisse auch gewesen sein mögen, das Oskar etwas besonderes ist, merkt man schnell. Er ist schlau und akribisch, hat aber auch viele Macken: Er fährt nicht U-Bahn oder Bus, schleppt immer ein Tamburin mit sich rum, mag den Portier nicht und mag genau genommen generell keine anderen Menschen. Gerade deshalb schickte sein Vater ihn immer auf Erkundungsexpeditionen, bei denen er nicht nur verborgene Geheimnisse der Stadt finden, sondern dabei auch mit Menschen reden soll.
Doch sein Vater ist nun 1 Jahr tot. Wir haben September 2002, der Vater starb bei den Attentaten auf das World Trade Center. Und das macht Oskar sehr, sehr schwer zu schaffen. Als er nun zufällig in den Sachen seines Vaters einen Schlüssel, den Namen ‚Black‘ und die Wort „Not Stop Looking“ findet, weiß er es: Er muss eine letzte Erkundungstour machen – und wie immer wird er gerade dort Hilfe bekommen, wo er sie nicht erwartet…
Was ich bei Hugo an Magie vermisst habe, habe ich in diesem Film gefunden. Zuallererst in der Leistung des unglaublich talentierten und extrem überzeugenden Thomas Horn. Bei einer solchen One-Boy-Show steht und fällt die Rolle mit dem Hauptdarsteller, und wo Scorsese mit der Wahl von Asa Butterfield kein gutes Händchen hatte, zeigt Stephen Daldry ihm, wie man es richtig macht – Thomas Horn überzeugt von der ersten bis zur letzten Sekunde, er ist durch und durch glaubwürdig und man schließt ihn sofort ins Herz. Flankiert wird er von Hollywood-Legenden wie Tom Hanks, Sandra Bullock und vor allem dem grandiosen Max von Sydow in der Rolle des stummen, alten, mysteriösen Untermieters der Oma. Sie alle spielen ihre Rollen gewohnt perfekt, vor allem aber lassen sie dem Jungdarsteller genug Freiraum für seine Rolle. Abseits der Darsteller gibt es nichts zu meckern – tolle Bilder, fesselnder Schnitt, zurückhaltende Ausstattung und stimmungsvolle Musik sind da, bleiben aber im Hintergrund und geben der Geschichte einen dezenten Rahmen.
Die Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Buch von Jonathan Safran Foer (‚Tiere Essen‘). Wie auch immer das Buch sein mag, die Geschichte hat mich von der ersten Sekunde an gepackt. Es ist nicht nur eine ungewöhnlich sensible Verarbeitung des World-Trade-Center-Attentats, sondern auch eine Geschichte über Schuld, Vergebung und Menschlichkeit. Auf der Suche nach Sühne trifft Oskar viele Menschen, die alle auf ihre Art mit ihrem Schmerz leben müssen und ihm so helfen, selber mit seinem Schmerz klarzukommen. Eine bedächtige, intensive Reise, die vielleicht nicht jedermanns Geschmack ist (wieso, bitteschön, hat dieser wunderbare Film nur 6,5 IMDb-Punkte !?!), aber die es Wert ist, es zumindest mal zu probieren… (9/10)