Ranicki hat Recht!

Was CJuergens.de für den Kinogänger, ist Fernsehkritik.tv für den Fernsehzuschauer – ein unabhängiges, unterhaltsames und kritisches Medium. Jeden Monat erfreut uns der Hamburger Journalist Holger Kreymeier in seinem Podcast mit einem vernichtenden Blick auf die deutsche Medienlandschaft. Er geht dabei engagiert und detailliert auf das ein, was Marcel-Reich Ranicki in seiner berühmten Ansprache nur anreissen konnte, und kämpft als eine Art Don Quichote des Qualitätsfernsehens gegen die Windmühlen des Fernsehmülls. Sprich, er macht genau das, was ich eigentlich von den Öffis für meine Fernsehgebühren erwarte.

Beispiele gefällig?

Bitte sehr. Unter anderem zeigt er uns,

  • wie bei 9 Live systematisch Zuschauer mit zahlreichen und teilweise sehr billigen Tricks (und als MZvD-Mitglied kann ich das beurteilen…) zum Anrufen animiert und damit über den Tisch gezogen werden (Eine Juristin sieht bei 9 Live übrigens den Tatbestand des Betruges als erfüllt an, wie sich hier nachlesen lässt),
  • wie in inszenierten Dokumentarsendungen wie etwa Lenßen & Partner oder Niedrig und Kuhnt der Zuschauer für dumm verkauft wird,
  • wie die ARD erstklassige, von unseren Gebühren teuer eingekaufte, Spielfilme wie L.A. Crash im Nachtprogramm verkommen lässt, während uns zur Prime-Time grottige degeto-Schnulzen serviert werden,
  • und dass eine Staffel der Serie 24 eigentlich nur 18 Stunden lang ist.

Kreymeier zeigt in seinen Beiträgen teilweise so haarsträubende Beispiele von Zuschauerverarschung, dass man sich fragt, wie so etwas in einem europäischen, zivilisierten Land überhaupt erlaubt sein kann. Und überlegt, ob man die Landesmedienanstalten nicht besser wegen Nutzlosigkeit abschaffen sollte. Vor den öffentlich-rechtlichen Sendern macht er übrigens auch nicht halt. Oder wussten Sie, dass mittlerweile der Anspruch einer neutralen und unabhängigen Information der Zuschauer aus dem Rundfunkstaatsvertrag gestrichen wurde? Eben.

Dünne Suppe

Ich selber sehe da immer wieder meine Gulaschsuppentheorie bestätigt: So wie ein Schlachter eine für 10 Leute gedachte Suppe problemlos auch für 50 aufdünnen kann, ist auch die Fleischdichte im Fernsehprogramm annähernd gleich geblieben, es schwimmt nur in mehr dünner Suppe aus Daily-Soaps, Daily Talks, Doku-Soaps, Pseudo-Dokus und Castingshows (s. Nachtrag). Warum? Weil‘s billig ist! Qualitätsfernsehen ist heutzutage, wo viele Sender profitorientierte Aktiengesellschaften sind, einfach nicht mehr bezahlbar.

Quote vs. Anspruch

Ernüchternder ist, dass dieses Billigfernsehen auch noch enorme Quoten erzielt, wogegen halbwegs anspruchsvolle Sendungen abserviert werden müssen – was soll man erwarten, wenn die Leute sich lieber die Billigpizza vom Discounter in die Röhre schieben, statt zum Italiener zu gehen. So muss man leider konstatieren, dass Qualität und Quote sich hierzulande wohl ausschließen. Ob das nun daran liegt, dass die Zuschauer wirklich auf Müll stehen, oder ob die anspruchsvollen Zuschauer einfach abschalten, spielt da dann auch keine Rolle mehr. Jedes Volk bekommt das Fernsehen, dass es verdient.

Abhilfe

Wer gegen den Strom schwimmen möchte, dem sei also die Internetseite fernsehkritik.tv wärmstens ans Herz gelegt, dort finden sich auch Fernsehtipps des Autors. Ansonsten: Einfach mal abschalten!

Herzlichst, Euer chrjue

Nachtrag

Zusammensetzung des Fernsehprogramms von ARD, SAT.1, Pro7 und 3 Sat
Zusammensetzung des Fernsehprogramms von ARD, SAT.1, Pro7 und 3 Sat

Ich habe mal für einen normalen Fernsehmittwoch das Programm von vier Sendern aufgedröselt, um herauszufinden, womit die ihr Programm machen. Bei ARD wären das hauptsächlich Magazine (Mittagsmagazin, Brisant etc.) und Soaps – da kann man den Informationsanspruch noch erkennen, die Qualität sei mal dahingestellt. SAT.1 hingegen zeigt uns fast nur Pseudo-Shows wie Richtershows, Talkshows, Pseudo-Doku-Soaps, gefolgt von einigen Magazinen und der Quiz-Night im Nachtprogramm – den Sender kann man also getrost aus dem Fernseher löschen. Am anderen Ende des Spektrums steht 3Sat, die ihr Programm fast ausschließlich mit Dokumentationen und Informationen bestreiten – besonders nano sei dem wissenschaftlich interessierten Leser ans Herz gelegt, da liegt im Gegensatz zu Galileo das Augenmerk nicht auf Schwertransporten und Dekolletés. Damit wären wir auch schon bei Pro7. Es wird seinem Anspruch als Spielfilm- und Seriensender gerecht und zeigt schwerpunktmäßig nur das, neben einigen unvermeidlichen Doku-Soaps und Boulevardsendungen. Ist vielleicht nicht anspruchsvoll, aber zumindest unterhaltsam.

Bevor sich jemand beschwert: Die Auswertung wurde rein willkürlich auf den 7.1.09 gelegt. Gezählt wurde von Sendebeginn bis Sendeschluss anhand der TV-Spielfilm, d.h.je nach Sender von knapp 4:00 morgens bis 3:59 des Folgetages. Die Einteilung in Kategorien erfolgte nach Gutsherrenart.  Fehler behalte ich mir vor.

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