Vom Winde verweht

Die Presse walzt das Thema ja bis zur Transparenz breit, dem kann ich mich natürlich nicht entziehen:

Der Vorfall

Tatsache ist, dass am vergangenen Wochenende ein auch für Norddeutsche recht schwerer Sturm über Hamburg tobte (Wetterdaten). Gegen 14:00 dann erfasste eine Böe einen A320 der Lufthansa kurz vor dem Aufsetzen. Sie wehte ihn zum einen fast von der Bahn und hob zum anderen die rechte Tragfläche an, wodurch die linke Bodenberührung bekam. Der Pilot startete daraufhin durch, und schaffte im zweiten Anlauf eine sichere Landung. All dies zeigt eindrucksvoll das allseits bekannte Video.

[youtube RodWwhqTE8s]

Die Landebedingungen

Auch für Segelflieger wie mich gehört das Einholen des Wetterberichts zur gründlichen Flugvorbereitung. Laut der Wetterdaten kam der Wind mit 56 km/h, in Böen bis 91 km/h aus etwa 300°. Die in Betrieb befindliche Landbahn war die 23 (also 230°), was Wind mit 70° von rechts bedeutete. Umgerechnet betrug der Seitenwind fast ungebremste 53 km/h bis in Böen 85 km/h. Ob dies noch zulässig ist, liegt nicht im Ermessen des Piloten, sondern steht im Flughandbuch jedes Flugzeugs. Laut Lufthansa war alles im grünen Bereich, was aber nicht bedeutet, das die Landung einfach ist.

Die Landerichtung

Zweite oft genannte Frage ist die Anflugrichtung. Piste in Betrieb war die 23. Sicherlich wäre die 33 (also mit 330°) rein vom Wind her besser geeignet gewesen (Wind aus 30° von links mit Seitenwindkomponente von 30km/h bis 45 km/h). Aber sie ist nicht mit vollwertigem Instrumentenlandessystem ausgerüstet, sondern nur mit einem Landekurssender und DME, was die Landung auch nicht vereinfacht – daher wird sie auch selten benutzt.

Somit waren die Windverhältnisse zwar ungünstig, rechtfertigten für den Piloten aber kein Ausweichen auf die andere Landebahn 33. Es war letzenendes schlichtweg Pech, dass ausgerechnet im kurz vor dem Aufsetzen eine Böe den Flieger erwischt. Das anschließende, routinierte Durchstartmanöver zeigte aber, dass sowas von den Piloten regelmäßig trainiert wird.

Die BFU

Besonders schön fand ich die dramatische Meldung, dass sich jetzt die Bundesstelle für Luftfahrtunfall-Untersuchungen (BFU) eingeschaltet habe. Das ist nämlich nicht wirklich dramatisch, sondern Routine. Sie muss nämlich bei jedem Flugunfall oder schweren Störungen vom Piloten informiert werden, und untersucht bei Interesse den Fall. Ziel der Untersuchung ist dabei nicht die Klärung einer Schuldfrage, sondern einzig und allein die Ursachenfindung und ggf. eine Empfehlung zur zukünftigen Vermeidung dieser Ursachen. Die Berichte sind übrigens öffentlich einsehbar, und für jeden Piloten spannende Pflichtlektüre.

Fazit

Mein persönliches Fazit: Ich bin kein Lufthansa-Pilot, ich bin Segelflieger, somit steht mir eine Beurteilung nicht wirklich zu. Auf jeden Fall war es aber ein sehr spektakulärer und für die Medien praktischerweise in Bild und Ton dokumentierter Zwischenfall, bei dem ich nicht hätte an Bord sein wollen. Das ganze als Beinahe-Absturz zu bezeichnen, geht mir aber doch etwas zu weit, den Piloten als Helden zu bezeichnen aber auch – sowas ist sein Job. Generell kann man sich bei Lufthansa aufgrund der sehr gut ausgebildeten Piloten und der hohen technischen Sicherheitsstandards immer noch am sichersten fühlen, wie dieser Fall auch gezeigt hat. In die Presse geraten und aufgebauscht wurde er wohl hauptsächlich deshalb, weil er gefilmt wurde und im Internet auftauchte. Ansonsten hätte er wohl nur den unauffälligen Weg in die Akten der BFU gefunden, und die Woche wäre eine „Beinahe-Katastrophe“ ärmer gewesen.

[Nachtrag:] Wie in der aktuellen (Print-) Ausgabe des Spiegel zu lesen ist, liegt die maximal empfohlene Seitenwindkomponente des A320bei 45km/h (bei unserem Vereins-Motorsegler übrigens bei 20 km/h). Das ist zwar nicht bindend, aber bei Böen bis 90 km/h trotzdem landen zu wollen, könnte man als ambitioniert bezeichnen. Im weiteren Text liest man Kommentare anderer Piloten, die von einem handwerklichen Patzer reden: Die Pilotin hätte, nachdem sie den Anflug mit einem recht ordentlichen Vorhaltewinkel geflogen ist, den Flieger einen Tick zu früh in Bahnrichtung ausgerichtet. So wäre dann das Abdriften zur Seite und der einseitige Bodenkontakt zustande gekommen. So betrachtet wären sie wohl doch besser in Hannover gelandet…

[Update:] Seit 4.3.2010 steht der Untersuchungsbericht der BFU Online.

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