Das schwierige vierte Album: Bloc Party – Four

Wie gut, dass ich mein Geld nicht mit Musikrezensionen verdienen muss, denn erstens wäre ich dann längst völlig abgebrannt und zweitens müsste ich an dieser Stelle in blumiger Sprache und anhand vieler Beispiele erklären können, warum sich häufig am vierten Album einer Band ihr Schicksal entscheidet. Kann ich aber nicht. Die momentane Anhäufung der vierten Alben von Bands, die während der Indie-Rock-Welle 2005/06 auf der Bildfläche erschienen sind, kann dennoch mit Interesse verfolgt werden. Die Arctic Monkeys lösten ihr Problem des vierten Albums bereits letztes Jahr mit dem tiefentspannten, zeitlosen Suck it and See, welches zwar nicht überaus erfolgreich war, aber die Kontinuität der Band unterstrich. Abgesehen davon sind die Arctic Monkeys inzwischen too big to fail, wenn diese Begriffsentlehnung gestattet ist. Nicht too big to fail sind leider Maxïmo Park, die im Frühsommer ihre viertes Werk The National Health vorlegten, aber neuer Plattenfirma, wiedererstarktem Songwriting und zwei hervorragenden Singles („Write This Down“ und „The Undercurrents“) zum Trotz muss man befürchten, dass diese Band stagnierend in der Versenkung verschwindet. Auch The Killers veröffentlichen gerade ihr viertes… ach, reden wir nicht über The Killers… deren Probleme liegen zu tief, als dass man sie auf ein Album reduzieren könnte. Reden wir über Bloc Party und ihr viertes Album FOUR!

Nachdem sich die vier Londoner Jungen konsequent von Album zu Album vom anfänglichen Indie-Hitwunder zum wegweisend-experimentellen Projekt entwickelt hatten, war nach dem düsteren Elektrogewitter auf Intimacy erst mal Schluss mit der Bloc(k) Party. Die Musiker waren ausgebrannt, zerstritten und fühlten sich von Sänger Kele Okereke zu sehr in die Elektronik-Ecke gedrängt. Dieser tobte sich dann solo noch mal richtig aus und schließlich fanden die vier wieder zusammen und drückten den Reset-Knopf.

Folgerichtig basiert das daraus entstandene Album Four auf den Prinzipien der Reduktion und Parität, übrigens schön symbolisiert durch die vier einfarbigen, konzentrischen Kreise auf dem Cover. Das erinnert nicht zufällig an das „Schwarze Quadrat auf weißem Grund“, mit dem Kasimir Malewitsch den verzweifelten Versuch unternahm, die Kunst vom Gewicht der Dinge zu befreien. Auch Bloc Party befreien sich von angesammeltem Ballast, keine elektronische Soundfetzen stören das Gesamtbild, die Songs basieren auf den vier klassischen Elementen der Rockmusik: Schlagzeug, Bass, Gitarre, Gesang. Alle vier Musiker nehmen einen gleichberechtigten Stellenwert ein.

Und so rumpelt es mit „So He Begins to Lie“ gleich zu Beginn ordentlich los und schon in dem ersten Song merkt man den Musikern – allen voran dem genial-durchgeknallten Drummer Matt Tong – die wiedergewonnene Freude am Musikmachen an. Die eingestreuten Sprachfetzen aus dem Tonstudio lassen die Aufnahmen authentischer und irgendwie näher erscheinen. Die rauere Produktion schmälert jedoch nicht das Hitpotential, welches sich wie immer bei Bloc Party in den überraschendsten Momenten verbirgt. Die erste Single „Octopus“ ist viel eingängiger als es zunächst den Anschein hat (sollte man mindestens viermal gehört haben!) und auch „Kettling“ und „Team A“ bekommt man so schnell nicht mehr aus dem Kopf, wenn sie sich erst mal eingenistet haben.

Die Texte von Kele Okereke erzählen keinen komplexen Geschichten, sondern verhalten sich eher wie die Polaroidfoto-Sammlung einer fremden Person, in deren Betrachtung man versinken und mit eigenen Erfahrungen füllen kann. So wird die Zustandsbeschreibung eines Landes mit Rezession und Klassenunterschieden („Kettling“ ist die verspätete Hymne der Tottenham Riots im letzten Jahr) skizziert, in dem man der Furcht und Aggression des Alltags durch einen Moment der Geborgenheit und Zärtlichkeit zu entfliehen versucht. Es sind die vielleicht stärksten Momente des Albums, wenn es den Musikern gelingt, mit einfachsten Mitteln und auf fast minimalistische Art so eindringliche, zerbrechlich-schöne Lieder wie „Real Talk“, „Day Four“ und „The Healing“ zu zaubern.

Mit „The Truth“ hat sich gegen Ende auch noch ein echter Popsong auf das Album geschlichen, der dafür sorgen wird, dass Four auch kommerziell erfolgreich wird. Das Album schließt mit dem Punk-Rotzer „We Are Not Good People“. Der Weg zu dieser Erkenntnis war lang und schwer, aber er hat sich gelohnt.
(9 Punkte)

Diskografie von Bloc Party:

2005 – Silent Alarm
2007 – A Weekend in the City
2008 – Intimacy
2012 – Four

3 Gedanken zu „Das schwierige vierte Album: Bloc Party – Four“

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