Moin, Moin, man muss ja nicht immer in die Ferne schweifen, um tolle Dinge zu erleben, deshalb heute mal ein „Unterwegs“ aus meiner Heimatstadt Hamburg.
Was soll ich sagen, ich bin süchtig! Ganze 12 lange Jahre habe ich erfolgreich alles versucht (Marathon, Schwimme, Rennrad, Schach, Uno, Tischkicker, Cuba Libre…..) um dem unsichtbaren Sog zu entfliehen, nur um im 13 Jahr letztendlich doch zu erkennen, dass auch ich der Faszination „Fußball am Millerntor“ erlegen bin. Seit dem heißt mein Schicksal (zumindest für diese Saison) Block N3, Reihe 11, Platz 18. Und es macht mir saumäßig Spaß!
So fährt man also jedes zweite Wochenende in proppevollen U-Bahnen mit tausenden von Gleichgesinnten zum heiligen Ort des Hamburger Fußballs, um immer das gleiche wunderschöne Ritual zu zelebrieren. Vor dem Anpfiff schnell ’ne Krakauer an der Pommesbude, dann die letzten Tropfen auf dem Baucontainerklo rausschütteln, um gleich danach wieder den Speicher mit einem Stadionbier („Astra – Was dagegen?“) aufzufüllen. Auf dem Weg zum Platz schnell noch die neueste Stadionzeitung unter den Arm geklemmt und ein kurzer Blick auf die Fanartikel im Fancontainer geworfen. Kurze Begrüßung der umsitzenden Saisonkartenbesitzer, lautes Lachen bei der Lektüre der Kolumne von „Gegengeraden Gerd“ (Die einzig wahre Spielkritik) in der Stadionzeitung. Danach dann einfach nur noch pure Vorfreude bei der St Pauli Hymne „Das Herz von St. Pauli“, gefolgt vom Gänsehautgefühl, wenn der erste Glockeschlag von „Hells Bells“ erklingt und das ganze Stadion die Mannschaft und sich selbst feiert …………“In Hamburg da bin ich zu Haus“ .
Was ist es doch immer wieder für ein schönes Bild, wenn Millionen von geschredderten Papierflusen das Stadion in Kunstschnee tauchen, und die ganzen alte Rechnungen, schlechten Liebesbriefe und Mahnungen vom Finanzamt zuerst auf den Schultern der Kapuzenpullover mit dem Totenkopf landen, um danach unter den Doc Martens-Stiefeln der treuen Fußballfans zu verschwinden. So gesehen erhält der Ausdruck „Jede Menge Emotionen auf der Tribüne“ eine völlig neue Bedeutung.
Dann geht es los. Wie immer schon nach 10 Minuten Harndrang (scheiß Stadionbier) und noch keine Halbzeit in Sicht. Mist! Gut, dann muss man wohl das Risiko eingehen und rennt los. Gerade am Klo angekommen dauert es natürlich keine zehn Sekunden, schon erklingt von den Tribünen der Torjubel, gefolgt von „Blurs Torhymne- Song2“, und lässt Stadion wie Toilettencontainer erbeben. Super, wieder mal nur ein Pinkeltor erlebt! Woher wissen die Spieler bloß immer, wann ich auf dem Klo bin? Hat Stani zuletzt etwa doch einen Mann im Ohr, durch den er direkt mit den Ordnern der Nordtribühne verbunden ist? „Hallo, Hallo, jetzt bitte Vollgas! Sven ist wider auf dem Weg zum Blase leeren!“? Das kann doch kein Zufall sein. ……….. Egal, was zählt ist das Ergebnis!
Wie schwer es ist, der Faszination zu entkommen, musste ich unlängst bei meinem Vater (eigentlich ein alter Gladbacher Fohlenfan) feststellen, den ich schon ein paar Mal mit ans Millerntor genommen habe, und der jetzt schon recht selbstbewusst eine St. Pauli Mütze trägt. Früher oder später bekommt sie das Millerntor halt alle zu fassen, und so liegen sie sich dann im kollektiven Siegestaumel in den Armen – Punker und Lehrer aus dem Schanzenviertel, Akademiker und Arbeiter, klein und groß, dick und dünn. Nirgendwo sonst erlebte man solche Wechselbäder der Gefühle (Ich sag nur Koblenz, Rostock). Manchmal weiß man gar nicht, wo es mehr Achterbahn gibt – auf dem Hamburger Dom nebenan oder auf dem Spielfeld. Doch dann ist das Spiel auch schon zu Ende. Schweißgebadet, aber lächelnd, feiert man den Heimsieg mit der Mannschaft, nur um danach nocheinmal freudig mit tausenden Gleichgesinnten in die proppevolle U-Bahn zu steigen und schon vom übernächsten Wochenende zu träumen. Aber genug für heute, das muss als kurzer Eindruck ausreichen. Wer sich selbt ein Bild machen will, sollte sich eine Karte kaufen. Aber Vorsicht, es besteht erhöhte Suchtgefahr. Und ich selbst muss schnell noch mal zum Fanshop und einen St. Pauli Schnuller für mein Patenkind besorgen. Da kann man nicht früh genug beginnen die Weichen richtig zu stellen………Forza St. Pauli!
Schöner Artikel, wo sind die Videos?
Hi Sven!
Sehr stimmungsvoller Bericht!
Liebe Grüsse, Michl