Jakob Dylan – Seeing Things

Jaja, eigentlich wäre es ja mehr als an der Zeit, mal das hervorragende neue Sígur Rós Album zu besprechen oder an das wunderbare Death Cab for Cutie Konzert zu erinnern, welches wir mit erleben durften, dazwischen kam mir jedoch dieser Second Hand Records Store in Chicago über den Weg gelaufen bzw. ich in ihn hineingestolpert. Wieder zurück auf der Straße hielt ich mißtrauisch das neue Album von Jakob Dylan in den Händen.

Hat er sich also doch getraut, mal ein Album zu veröffentlichen, von dessen Cover sein schwergewichtiger Nachname prangt. Zwar wird Jakob Dylan nicht müde, in jedem Interview zu beteuern, dass es ihm völlig egal ist, wer sein Vater ist, und er das überhaupt nicht als schwere Bürde empfindet, doch die Art, wie sich dabei sein Gesicht versteinert, straft ihn Lügen. Folgerichtig hat er seinen Familiennamen bisher als Sänger und Gitarrist der Band The Wallflowers im CD Inlay versteckt und besonders mit ihrem 1996er Album Bringing Down the Horse große Erfolge gefeiert. Für das Album und die darauf enthaltenen Songs, allen voran „6th Avenue Heartache“ und das großartige „One Headlight“, bekamen die Wallflowers den Grammy und verkauften doppelt so viele Kopien wie Bob Dylan von seinem fast gleichzeitig erschienenen und hochgelobten Time Out of Mind. Jetzt wagt er sich also heraus aus dem Schutz der Band und veröffentlicht seine erste Soloplatte, die große Sonnenbrille und die arrogante Pose als das letze bißchen Schutz, das er sich noch gönnt.

Seeing Things könnte man in etwa so zusammen fassen: Ein Mann, eine Gitarre, eine Mission. Folkig, melodiös und akustisch klampft Jakob sich durch die zehn lupenrein unaufgeregten Songs des Albums, als hätte er noch nie von Blood on the Tracks oder Nebraska gehört und als wüsste er nicht, dass ein gewisser Jack Johnson mit einer ähnlichen Masche gerade recht erfolgreich sämtliche Sandstrände weltweit beschallt. Und genau diese Attitüde ist es, die sein Album so zeitlos erscheinen lässt und dafür sorgt, dass es sich so gut anfühlt, ihm zuzuhören. Da lag die Wahl von Rick Rubin als Produzent, der schon Johnny Cash aus der Countryecke geholt hat und das gleiche jetzt mit Neil Diamond versucht, wirklich nahe.

Keines seiner Lieder möchte ein Hit sein, konsequenterweise gibt es auch keine Single zu dem Album, sondern lediglich eine Seeing Things EP mit drei der Songs. Auch die Texte wollen nicht auffallen oder anprangern, „Evil is alive and well“ mag von aktuellen Differenzen der amerikanischen Gesellschaft inspiriert sein, das Lied würde jedoch genauso zu jeder anderen Zeit, an jedem anderen Ort kein Gramm an Aktualität verlieren. Auch der derzeit omnipräsente Krieg wird in gleich mehreren Liedern („Valley of the low sun“, „I told you I couldn’t stop“, „War is kind“) mit unbeschönigender Distanz verurteilt.

Mother, war is kind… of like hell, but I am fine –
Brother, war is best… in the morning, when you’ve had rest –
Daughter, war is safe… where you are, far away –
Lover, war is done… in more ways than just one

Das eingängige „Something good this way comes“ kann man als das zeitlos optimistische Gegenstück zu „Evil is alive and well“ sehen. Das Album endet mit der typisch amerikanischen Sehnsucht nach Weite und Einsamkeit in „On up the mountain“ und „This end of the telescope“. In seiner Schlichtheit und Zeitlosigkeit ein Meisterwerk.
(8 Punkte)

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