KÀ -waltig

holpriger Titel, OK, aber zu dem, was uns das ZDF und arte am 28. und 29.12. im Fernsehen präsentiert haben, muss einfach was gesagt werden. Und zwar Danke! Haben besagte Sender uns nach Marienhof, Gülcan-Hochzeiten, Uri Gellers und Anne Wills gezeigt, dass man bei den Öffis für seine Gebühren auch mal was wirklich innovatives präsentiert bekommen kann: Eine Aufzeichnung der imposanten Cirque Du Soleil Show aus Las Vegas samt zeitgleicher Ausstrahlung der Backstage-Dokumentation – zappen erwünscht!

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Die Show

Die Show wird vom Cirque du Soleil seit Februar 2005 im eigens erbauten Theater des MGM Grand Hotels in Las Vegas aufgeführt und ist das eine der aufwendigsten und teuersten Shows, die jemals produziert wurden (150 Millionen Dollar, James Camerons Titanic kostet 180 Millionen) Und sie ist defnitiv eine der beeindruckendsten Shows die mir je unter die Augen gekommen ist, eine grandiose Symbiose aus Artistik, Show und High-Tech. Zu letzterem Aspekt gab die Backstage-Doku tiefe Einblicke. Aber der Reihe nach.

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Die Handlung

Wir befinden uns vor langer Zeit in einem fernen Land. Die kaiserlichen Zwillinge (zweieiig, da Junge und Mädchen) präsentieren am Hofe gerade ihre Kampfkunst, als eine perfide Attacke böser Krieger ihre Eltern ermordet und sie zu entführen versucht. Bei der Flucht werden sie getrennt, die Prinzessin schafft samt eines Großteils ihres Hofstaats die Flucht zu Schiff, der Prinz sucht per pedes samt Leibwächter das Weite. Beide müssen nun abenteuerliche Wege zu Wasser, zu Lande und in der Luft zurücklegen, dabei gefährliche Orte mit exotischen Geschöpfen passieren, bis es schließlich zur verdienten Wiedervereinigung kommt – und zur finalen Schlacht zwischen Gut und Böse…

Die Technik

In der Backstage-Doku kamen schließlich Technik-Freaks wie ich voll auf ihre Kosten kommen konnten. Begleitet vom technischen Direktor der Show zeiget uns die Infrarot-Kamera, was hinter den Kulissen der Show passiert, um eine reibungslosen Ablauf zu gewähren, die Sicherheit der Artisten zu gewähren und dem Publikum perfekte Unterhaltung zu bieten – was man bei Ticketpreisen zwischen 100 und 200$ auch erwarten kann. Deutlich wird auf jeden Fall, dass die Zusammenarbeit der rund 200 Techniker, die Koordination der verschiedenen Abläufe und die sorgfältige Planung der Abläufe der Artistik auf der Bühne mindestens ebenbürtig sind. Hier wie da läuft eine gut geölte Maschinerie und kann jeder Fehler Menschenleben kosten; nur der Applaus erreicht meist nur die Artisten. Bei aller Technik ist aber einer der berührendsten Momente der Show dennoch eine stille Szene: Der Leibbwächter spendet dem Prinzen nach der Flucht Trost, mit klassischen, handgemachten Schattenfiguren, wie sie schon in steinzeitlichen Höhlen gezeigt wurden – und nun hier, in einem verharrenden, stillen Multimillionendollar-Hightechtheater…

Den Interessierten habe ich folgend ein paar Informationen zusammengestellt, wem das nicht genug, der sei auf die Links verwiesen, die lassen dann fast keine Fragen mehr offen.

Die Bühnen
Eine klassisch Bühne gibt es in dem KÀ Theater nicht. Stattdessen klafft im Saal ein riesiges Loch, aus dem im Lauf der Show verschiedene Flächen auftauchen, auf denen die Handlung stattfindet. Insgesamt verfügt es über fünf solche Flächen: Das Sandklippendeck, das Tatamideck sowie die Bühnen 3,4 und 5.

Schematisch Skizze der Bühnen, von oben gesehen

Das Sandklippendeck
Das Sandklippendeck ist vermutlich das aufwendigste Showelement schlechthin. Es misst etwa 7,5 x 15 m, ist 2m dick, und lässt sich hydraulisch aus der Grube auf rund 10m über Bühnenhöhe anheben – bewegt von 4 Hydraulik Zylindern mit 20m Länge. Für die vertikale Führung sorgen zwei Stahlrohre rechts und links der Bühne mit je 1,2m Durchmesser. An ihnen sind Laufschienen für die Schlitten befestigt, zwischen denen als Verbindung ein weiteres Rohr mit 2m Durchmesser über die gesamte Bühnenbreite verläuft. An diesem Tohr befindet sich nun ein knapp 10m langer Ausleger, auf dem das Sandklippendeck ruht. Es kann so um besagte 20 m aus der Grube gehoben werden.
Um weitere Spielräume zu erhalten, ist das Sandklippendeck um 360° drehbar und lässt sich zusätzlich noch von 0° bis 100° Richtung Publikum kippen. Dadurch kann das Deck sowohl als flache Bühne dienen, als auch senkrecht in der Luft stehen und alles dazwischen. Während der Vorstellung dient es als Bühne, als Klippe, als Rampe etc.
Das Deck selber wiederum ist mit 4 runden Liften ausgerüstet, die den „Sand“ (eigentlich Kork) für die Strandszene beherbergen, der anschließend samt Künstlern in den Abgrund rieselt. 80 elektrisch einzeln ausfahrbaren „Pfeile“ geben Halt in der Klippenszene, und berührungsempfindlichen Matten dienen der passgenauen Projektion von Videoeffekten – quasi ein einziger großer Touchscreen. Im Inneren bietet es zudem noch Platz für zwei Techniker, die vor der Gipfelszene in knapp 40m Höhe den von oben aufgesetzten Gipfel samt Fluggerät arretieren müssen.
In einigen Szenen werden Videos auf das Deck projiziert, die die Illusion von Felsen und Eis erzeugen, oder aber Wellen um die Akteure schlagen lassen. Die Videos werden dabei in Echtzeit von einem Rechnerverbund erzeugt, der mit den aktuellen Positionsdaten des Decks die Videos passgenau auf die Plattform projiziert.
Die ganze Bühne wiegt somit rund 36 Tonnen, zur Bewegung sorgen elektrische Pumpen für 1200 PS Hydraulik-Leistung, über Akkumulatoren gepuffert stehen kurzfristig bis zu 6000 PS zur Verfügung – etwa dann wenn sich wieder mal alles bewegt…

Seitenansicht der Bühnen in schematischer Skizze

Das Tatamideck
Das Tatamideck misst etwa 10x10m und befindet sich vom Zuschauerraum aus hinter dem Sandklippendeck. Es lässt sich von dort auf einem gigantischen Auszugsmechanismus (wie eine Schublade) 20m Richtung Zuschauerraum „ausziehen“, so dass es sich mitten über der Grube befindet. Es kann somit als Aktionsfläche dienen, wenn das Sandklippendeck gerade im Keller ist. In der Ruheposition in der Hinterbühne bei Bedarf das Todesrad aufnehmen, das

Bühnen 3,4 und 5
Diese rahmen das Sandklippendeck links, rechts und vorne ein. Befinden sich alle im Keller, so ergeben sie mit dem Sandklippendeck eine durchgehende Fläche, was das Auf- und Abräumen von Requisiten erleichtert. Auf Saalebene angehoben, bieten sie den Akteuren zusätzlich Aktionsfläche, wenn das Sandklippendeck im Keller (oder senkrecht) steht. Angetrieben werden die Bühnen über das Spiralift-System, ein ziemlich innovatives Liftsystem, das zum einen sehr präzise arbeitet und vor allem keine Ausschachtungen benötigt.

Steuerung

Bei so vielen Achsen ist die Steuerung eine Kunst für sich. Mit speziellen Showcontrolsystemen werden die Positions- und Steuerdaten von einem Rechnernetzwerk verwaltet und für Menschen bedienbar dargestellt. Ein eigenes System überwacht ständig Position und Bewegungsvektoren der Bühnen, und sorgt bei Kollisionsgefahr für Stillstand. Details habe ich nicht verstanden, daher sei bei Interesse auf die Links verwiesen…

Links

Hier die offizielle Seite von KÀ : http://www.cirquedusoleil.com/Cirquedusoleil/ka/

Hier die Seite vom ZDF:
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/10/0,1872,7130186,00.html
http://www.theaterkanal.de/fernsehen/monat/200712/cirque-du-soleil-kagrave-backstageparallel-zur-on-stage-ausstrahlung-im-arte-programm

Eine allgemeine Übersicht bietet Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/K%C3%80_%28Cirque_du_Soleil%29

Bilder, Zeichnungen und eine ausführliche Beschreibung der Technik findet sich im Artikel aus Light&Sound America, April 2005 und seiner Fortsetzung.
Ergänzend dazu sei diese Seite empfohlen.

Und hier noch ein Video auf den Sandklippendeck:

[youtube 9cuyUKEKRLc]

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