Alle Jahre wieder… Weihnachtslieder in der Pop-Musik

Die schöne Tradition des Weihnachtsliedes ist eine sehr alte und hat ihre Wurzeln natürlich in den Anfängen des Christentums. Die ältesten überlieferten musikalischen Stücke, die sich mit der Geburt Christi beschäftigten, sind lateinische Lieder, welche auf Messen gesungen der Huldigung dieses Ereignisses gedacht waren. Darüber eine Abhandlung zu schreiben, liegt mir fern. Statt dessen soll dem einzigartigen Phänomen des Weihnachts- liedes in der Popmusik nachgegangen (und sehr gehässig über mehr oder weniger aktuelle Weihnachtslieder geurteilt) werden.

Ein geradezu inflationärer Anstieg deutschsprachiger Weihnachtslieder wird im 19. Jahrhundert verzeichnet. Aus dieser Zeit stammen auch viele der Weihnachtslieder, die für uns seit Kindestagen den Inbegriff von Weihnachtsmusik darstellen. Lieder wie O du fröhliche, Stille Nacht und O Tannenbaum sind jedoch nicht nur Beispiele für Weihnachtslieder aus dieser Epoche, sondern stehen auch stilbildend für eine beginnende Vermengung dieser ursprünglich sakral-funktionalen Musikrichtung mit aktuellen populärmusikalischen Entwicklungen.

Seinen endgültigen Einzug in die Popmusik hielt das Weihnachtslied aber in den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die meisten der heutigen „Weihnachtsklassiker“ stammen interessanterweise aus dieser Zeit. Beispiele dafür sind Winter Wonderland (1934), Jingle Bells (1935), White Christmas (1942), Have Yourself a Merry Little Christmas (1944), The Christmas Song (1946) und Rudolph, the Red-Nosed Reindeer (1949). Spätestens seit dieser Zeit ist das Weihnachtslied zu einem Genre geworden, mit dem der Künstler eine Art Unsterblichkeit erlangen kann, da wohl kaum eine Tradition so zeitlos und gleichzeitig so fest in der westlichen Kultur verankert ist wie das Weihnachtsfest. Oder um es anders auszudrücken: Wohl kaum jemand würde sich heute noch an Bing Crosby erinnern, wenn dieser sich nicht mit zahllosen Weihnachtsliedern (allen voran natürlich das großartige White Christmas) der Vergessenheit entzogen hätte. So ziemlich jeder Popmusiker der 50er, 60er und 70er Jahre hat sich danach mit sehr unterschiedlichem Erfolg und Geschick an diesem Genre probiert.

Einen ganz besonderen Aufschwung erlebte das Weihnachtslied in der Popmusik der 80er Jahre, vermutlich bedingt durch die besondere Charakteristik der Popkultur der 80er Jahre, die jedweder Form von Kitsch und Schrill Tür und Tor öffnete. Allein im Jahr 1984 erschienen drei Dauerbrenner der weihnachtlichen Radiobeschallung (Do They Know it’s Christmas? von Band Aid, Thank God it’s Christmas von Queen und Last Christmas von Wham!). Bis heute scheut sich kaum ein Künstler auf diese Schiene aufzuspringen und so erscheinen jedes Jahr neue Weihnachtslieder von bekannten Bands oder Soloartisten, wobei es nur wenigen vergönnt ist, mit ihrem Beitrag wirklich einen Jahr(zehnt)e anhaltenden Erfolg verbuchen zu können. So sind wir gespannt, was uns in diesem Jahr so alles geboten wird, bisher versuchen sich Mariah Carey mit Oh Santa! sowie Coldplay mit Christmas Lights an der Unsterblichkeit.

An dieser Stelle sollen nun die Erfolgreichsten unter die Lupe genommen werden, die uns Jahr für Jahr auf’s neue beglücken oder eben auch nicht. Dazu wurde die wichtigsten Weihnachtslieder der letzten drei bis vier Jahrzehnte in drei für sich selbst sprechende Rubriken eingeteilt, die natürlich wie immer weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Objektivität erheben.

Rubrik 1: Tatsächlich schöne Lieder, die vorweihnachtliche Gefühle angenehm unterstützen
Fairytale of New York – The Pogues and Kirsty McColl (Originalversion, 1987)
Das wahrscheinlich schönste und mit Sicherheit destruktivste Weihnachtslied aller Zeiten.
Winter Wonderland – Macy Gray (Version aus 2000, Original aus 1934)
Wunderbare Komposition die noch jede Interpretation ausgehalten hat (sogar die von Annie Lennox). Die Sandpapierstimme von Macy Gray gibt Ihr allerdings einen ganz besonderen Schliff.
Driving Home for Christmas – Chris Rea (Originalversion, 1988)
In seiner Schlichtheit trifft es genau auf den Punkt, denn es sind doch die Vorfreude und das Beisammensein, die das Weihnachtsfest eigentlich ausmachen. Für mich jedes Mal der Beginn der Weihnachtszeit, wenn ich es im Autoradio auf dem Weg nach Hause höre.
Sleigh Ride – The Carpenters (Version aus 1978, Original aus 1949)
Genau wie dieses Lied sollte Weihnachten sein. Schluss mit dem ganzen Kitsch und Pathos! Lasst uns eine Schlittenfahrt machen und den Augenblick genießen! Karen Carpenter verstarb leider bereits 5 Jahre nach der Aufnahme im Alter von nur 32 Jahren.
Christmas All Over Again – Tom Petty (Originalversion, 1992)
Was kommt heraus, wenn der extrem lässige Tom Petty ein Weihnachtslied schreibt… Natürlich, der lässigste Weihnachts-Rock-Song aller Zeiten.
Christmas Song – Dave Matthews (Originalversion, 2000)
Eines der schönsten überhaupt und dabei eher eine Reflexion über die Anfänge des Christentums, leider bei uns fast nie zu hören (außer hier).
Step into Christmas – Elton John (Originalversion, 1973)
Das vermutlich tanzbarste Weihnachtslied aller Zeiten aus der Zeit, als Elton John noch cool war.
Seven O’Clock News / Silent Night – Simon & Garfunkel (Originalversion, 1966)
Den Klassiker der Weihnachtslieder schlechthin (geschrieben 1818 als „Stille Nacht, Heilige Nacht“ von Franz Gruber) einerseits so schön mehrstimmig zu intonieren und andererseits mit den Katastrophenmeldungen der 7-Uhr-Nachrichten zu unterlegen ist fast schon bösartig aber auch schlicht genial.

Rubrik 2: Lieder, die man ertragen kann, wenn man sich in absoluter Weihnachtsstimmung befindet
Do They Know it’s Christmas? – Band Aid (Originalversion, 1984)
Naja, war ja für einen guten Zweck… obwohl ich die Zeile „…well, tonight thank God it’s them instead of you…“ immer wieder für sehr fragwürdig halte.
Feliz Navidad – José Feliciano (Originalversion, 1970)
Gut geeignet für den Tanz um den Weihnachtsbaum und den Text kann man auch mitsingen ohne Spanisch zu sprechen.
Christmas Time – Bryan Adams (Originalversion, 1985)
Nette Beschreibung der Generationen übergreifenden Freude am Weihnachtsfest.
Happy X-Mas (War is Over) – John Lennon (Originalversion, 1971)
Ein Weihnachtslied als Anti-Kriegs-Hymne zu komponieren ist durchaus schlüssig. Und war unglaublich erfolgreich.
Simply Having a Wonderful Christmas Time – Paul McCartney (Originalversion, 1979)
Den Erfolg von Ex-Beatle John konnte Ex-Beatle Paul nicht auf sich sitzen lassen und musste mit einer eigenen Weihnachtssingle nachlegen. Ob gelungen oder nicht, es ist auf jeden Fall das Weihnachtslied mit dem abgefahrensten Keyboard-Intro.
Merry Christmas Everyone – Shakin‘ Stevens (Originalversion, 1985)
Für den Swing und für den Mut, sich „Shakin‘ Stevens“ zu nennen, rutscht er noch gerade so in die mittlere Rubrik.

Rubrik 3: Nein, geht gar nicht! Weder zu Weihnachten noch sonstwann!
Thank God it’s Christmas – Queen (Originalversion, 1984)
Man kann es wohl nur lieben oder verabscheuen. Bei mir steht es auf Platz 1 der Weihnachtslieder, die einfach nicht gehen.
Last Christmas – Wham! (Originalversion, 1984)
Um eines mal endgültig klarzustellen: “Last Christmas“ ist kein Weihnachtslied. Es ist eine billige, fiese Boygroup-Liebes-Schnulze, die zufällig zu Weihnachten spielt, mit dem Weihnachtsfest an sich jedoch nicht das geringste zu tun hat. Es könnte genauso gut „Last Easter“ heißen (und Gerüchten zufolge war das ursprünglich sogar so geplant). An alle Radiostationen da draußen: Verschont uns bitte mit diesem Rotz zu Weihnachten und zu jeder anderen Jahreszeit auch!
Little Drummer Boy / Peace on Earth – David Bowie with Bing Crosby (Version aus 1977, Original aus 1958)
“Little Drummer Boy” ist eigentlich ein schönes Lied und wurde gerade letztes Jahr sehr gut von Bob Dylan umgesetzt, aber an der Stelle, wenn David Bowie sein emotional völlig überdimensioniertes „peace on earth… will it be?“ dazwischen jault, kommt mir regelmäßig der Glühwein vom Vorabend wieder hoch.
Christmas (Baby, Please Come Home) – U2 (Version aus 1987, Original aus 1963)
Wie dieser sonst so zielsicheren Band so ein Griff ins Klo passieren konnte, wissen sie wahrscheinlich heute auch nicht mehr und sind heilfroh darüber, dass es auch nicht besonders oft gespielt wird.
Merry Xmas Everybody – Slade (Originalversion, 1973)
Diese Proleten-Rock-Nummer wurde von der britischen Bevölkerung doch tatsächlich zum beliebtesten Weihnachtslied aller Zeiten gewählt…
Santa Claus is Coming to Town – Bruce Springsteen (Version aus 1975, Original aus 1934)
Wenn es eine Selbsthilfegruppe für Rockstars, die sich für ihre Weihnachtslieder schämen, geben sollte, dann liegen sich Bono, Bruce Springsteen und Paul McCartney da wohl regelmäßig schluchzend in den Armen.
All I Want for Christmas is You – Mariah Carey (Originalversion, 1994)
Selbstgänger, da natürlich alle Songs von Mariah Carey überhaupt nicht gehen.
Back Door Santa – Bon Jovi (Version aus 1987, Original aus 1968)
I Wish Everyday Could be Like Christmas – Bon Jovi (Originalversion, 1992)
Please Come Home for Christmas – Bon Jovi (Version aus 1994, Original aus 1960)
Okay, es könnte daran liegen, dass Bon Jovi sowieso grauenvoll sind, aber bei der Auswahl ihrer Weihnachtslieder übertreffen sie sich wirklich selbst.
Christmas for Cowboys – John Denver (Originalversion, 1975)
Ohne Worte.

Egal, zu welchen Weihnachtsliedern ihr dieses Jahr auch singen und tanzen mögt, und egal, ob ihr euch „God Jul“, „Feliz Navidad“ oder „Fröhliche Weihnachten“ wünscht, ich hoffe, Ihr habt eine ruhige, besinnliche, lustige und liebevolle Zeit.
Thank God it’s Christmas!

3 Gedanken zu „Alle Jahre wieder… Weihnachtslieder in der Pop-Musik“

  1. Sehr umfassende und informative Zusammenstellung. Als jemand, der außer dem Refrain eh nie den Text versteht, gehört Last Christmas aber noch in Kategorie 2 – allein durch die Penetranz dieses Songs. Davon abgesehen scheint es angebracht, mal meine Playlist für der 24. durchzugehen, fürchte ich…

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